Vor kurzem wurden wir von einem deutschen Gitarrenmagazin angefragt, einen Steckbrief über unser Schaffen auszufüllen für ein Sonderheft »Made in Germany«. Da wir seit 1998 in Deutschland Gitarren bauen, hat uns die Anfrage sehr gefreut.
Schade ist nur, dass nach fristgerechter Abgabe, die Redaktion uns aus „Platzgründen“ absagte, da Gitarrenbauer, die Werbung schalten, bevorzugt werden.
Soviel zum objektiven Überblick der Gitarrenbauer-Szene im bald erscheinenden Sonderheft »Made in Germany«.
Anbei nun unser Steckbrief, den wir natürlich nicht vorenthalten möchten!
Made in Germany – Steckbrief
Welches deiner Gitarrenmodelle ist dein persönlicher Favorit?
Wir bieten vier Gitarrenmodelle und ein Bassmodell an, und alle sind für mich heute gleichermaßen an erster Stelle. Angefangen hat es in der Tat zu Beginn meiner Leidenschaft für Gitarren mit der Les Paul Junior, die mich durch Ihre Schlichtheit und Symmetrie begeisterte. Diese Vorliebe führte letztendlich zur Deimel Doublestar, ein Re-Design mit langer Mensur und Korpuskonturen a la Strat. Unsere Philosophie ist es, allgemein favorisierte Features zu vereinen: »best of both worlds« sozusagen, bei allen unseren Modellen.
Warum hast du angefangen, Gitarren zu bauen?
Ich begann schon in sehr frühem Jugendalter (13-14 Jahre) mit ersten Versuchen, das lag vor allem an der familiären Konstellation. Meine ersten Schritte auf der Konzertgitarre (Unterricht mit 6-8), der elterliche Handwerksbetrieb (Zahntechnik), mein älterer Bruder mit dem ich Modellbau betrieb, ein Bastelkeller, die örtliche Musikszene in unserer Stadt, ich sog das alles auf, es war eine Welt. Mein Bruder brachte eines Abends spät eine defekte SG-Kopie aus Japan heim, nachts zeigte er mir sie und ich war infiziert. Wir reparierten sie erfolgreich und ich begann alles über E-Gitarren zu lesen und zu lernen. Ab da war für mich mein Weg entschieden.
Wer oder was hat dich inspiriert?
In den frühen 80ern gab es in den Musikzeitschriften (vor allem Fachblatt) viele anregende Stories über Gitarrenfabriken und Gitarrenbauer, allen voran Hamer, Charvel, dann Gary Levinson (es wurde eine Wunschgitarre für das Fachblatt gebaut), und natürlich Werbung und Kataloge von Gibson, Fender, Washburn, ESP, etc. In Deutschland gab es schon erste Wiederbelebungsversuche von Framus (als Warwick) und Hoyer, und auch von England schwappte eine Bassbauwelle herüber. Hamer hatte es mir aber besonders angetan, und inzwischen kann man Hamer Guitars getrost als erste Boutique-E-Gitarrenbauer bezeichnen, denn sie knüpften eindeutig in den 70ern an die goldene Ära der 50/60er an, und gaben der Qualität wieder eine neue Bedeutung. Und nicht zu vergessen, als ich den ersten Rockinger-Katalog in meinen Händen hielt war dies fortan meine Nachtlektüre.
Dann war da parallel die Musikszene um uns, die großen Konzerte im Ruhrgebiet (ich war mit 16 bei Santana in der Westfalenhalle, darauf mit 17 Zappa, Rory Gallagher, und viele mehr) der Woodstock-Film auf unserem Videorecorder sowie Rockpalast im TV liefen, wenn die Eltern nicht da waren, Frank Zappa, Jimi Hendrix, Jeff Beck als Gitarrenhelden, das mischte sich mit dem aufkeimenden Punk und New Wave der 80er. Es war eine sehr prägende und tolle Zeit, sehr spannend war es, all das zu entdecken! Meine Inspiration zog ich also aus der Musik sowie der in Deutschland aufkeimenden Gitarrenbauszene, mit Firmen wie Clover, Stoll, Bassart, Rockinger, Hoyer, und einigen englischen Firmen wie Chris Larkin, Wal, Jaydee oder Status.
Hast du eine klassische Ausbildung zum Gitarrenbauer oder gilt Learning-by-Burning?
Nein, es lief über Umwege. Wie schon oben beschrieben wuchs ich in die Thematik hinein. Ich wusste theoretisch schon sehr viel, mich interessierten vor allen die Konzepte, ich zeichnete sehr viele erste eigene Designs in meine Schulbücher und Hefte! Nach dem Abitur begann ich eine Lehre als Zahntechniker im elterlichen Betrieb, 1987 ein 3-wöchiges Praktikum bei Framus/Warwick), aber meine Freundin und mich zog es jedoch nach Berlin.
Direkt nach meinem Umzug bewarb ich mich zunächst für ein Grafikdesign-Studium und später für Industrie-Design, ich erhoffte mir davon eine fundierte Ausbildung als Gestalter, jedoch immer mit den Gitarren im Hinterkopf. Während der Wartezeit auf den Studienplatz absolvierte ich ein Praktikum als Kunsttischler, und nach dem Vordiplom als Gestalter an der HdK Berlin (heute UdK) begann ich bei der Berliner Gitarrenbauschmiede PAG. Ich entwarf und baute einige PAG-Modelle, und machte sämtliche Reparaturen. Dann 1998 machte ich mich mit meiner eigenen Firma in Berlin selbständig.
Was war dein verrücktester Kundenwunsch?
Das ist bis dato eine „Piratengitarre“ für den inzwischen verstorbenen Musiker Nikki Sudden. Er wünschte sich eine Art Offset-Les Paul im Stile von Ted Newman Jones III und Zemaitis Gitarren. Diese sollte 5-saitig sein, also habe ich den Steg dafür gebaut, Harry Häussel machte 5-Saiter HB’s, ein Berliner Graveurmeister arbeitete das Neusilber-Schlagbrett aus (Treasure Island Schatzkarte). Sogar eine echte Gold-Dublone die Nikki und ich bei Ebay fanden, wurde eingelegt. Mein Vater machte sogar Kopien davon in gold, und ich legte sie in die Potentiometer-Knöpfe ein. Die Gitarre sollte die selbe Farbe wie Nikki’s Brokat-Anzug (lila-grün gewebt) bekommen, damit er auf dem Plattencover vor dem Brokat-Vorhang unsichtbar wird, wenn er die Gitarre umhängen hat. Später gestand er mir seine Farbenblindheit :-)!
Diese Art Spezialanfertigungen machen auch heute noch sehr viel Spaß, und wiederholen sich bei uns aktuell mit den Deimel Firestar Artist Editions, die ich mit meiner Frau Kora Jünger gemeinsam erarbeite, ich gebe Ihr die „Leinwand“, und sie gestaltet diese Gitarren zu einem Kunstwerk.
Woher kommt die Inspiration für ein neues Gitarrenmodell?
Inzwischen kommt diese Inspiration sehr oft von den Kunden. Wir bieten ja einen sogenannten Gestaltungsrahmen an, also von uns vorgegebene Bodyshapes und Kopflattendesigns, von denen wir nicht abweichen. Diese Shapes sind oft wie schon oben beschrieben, an Klassiker angelehnt, wir lieben es aber bestimmte Vorzüge zu vereinen, das ist also unser grundlegendes Gestaltungsmerkmal. Dann jedoch geben wir viel Freiheit in Bezug auf Farben, Schlagbretter, und inzwischen sogar Mensuren, da wir sogenannte Conversion-Necks anbieten, d.h. man kann ohne jedwede Änderung am Korpus entweder Short-,Medium-,Long- oder Baritone-Mensuren wählen.
Viele unserer Kunden schätzen das sehr, und können sich so Ihr individuelles Trauminstrument zusammenstellen. Dabei entstehen oft gänzlich neue Ideen, die auf den Vorstellungen der Kunden basieren, also ist ein neues Gitarrenmodell so gesehen oft eine gelungene Kooperation zwischen uns und dem Musiker! Ein gutes Beispiel war erst neulich ein Firestar-Modell namens FireSchneider™ für den Experimental-Künstler Schneider™. Er entwarf auf Basis unserer Effekt-Elektroniken (u.a. Pickup LesLee®) eine Experimental-Gitarre mit von oben zugänglichen Hohlkammern, die mit Piezo-TA’s ausgestattet sind. Mit dieser einen Gitarre und seinem Effekt-Board mit Loopern kann er ganze Improvisations-Abende füllen. Solche Sonderanfertigungen wiederum lösen bei uns Ideen für weitere Modelle aus, und wir sind für diese Zusammenarbeit mit aktiven Musikern sehr dankbar!
Wie läuft die Entwicklung, der Bau einer Gitarre bei Dir ab?
Zunächst besprechen wir anhand unser detaillierten Preisliste mit dem Kunden alle Features, und machen manchmal auch digitale 2-D Ansichten bzgl. Farbe und Ausstattung. Sobald wir eine 40-prozentige Anzahlung erhalten haben, beginnt die Auswahl der Hölzer und das Beschaffen der Parts. Jeder Kunde hat eine eigene Kladde, eine Teile-Box und ein Fach. Nachdem die Seriennummer vergeben ist, und die ersten Bauschritte beginnen, veröffentlichen wir unter dem Hashtag des Modellnamens und der Seriennummer eine Bilderreihe auf Instagram. Je nach Aufwand erstellen wir sehr präzise Vektorgrafiken, um die individuellen Änderungen in Kopierschablonen umzusetzen. Wenn alles definiert ist, beginnt unser Mitarbeiter Johannes mittels üblicher Holzbearbeitungsmaschinen (ohne CNC) mit dem Bau bis zum Feinschliff.
Ich übernehme ab der Bundierung, der Oberflächenbearbeitung, und der Endmontage inklusive Elektronik. Kora wickelt während der Bauzeit die weitere Kommunikation ab, und achtet auf die Einhaltung der Deadlines, da wir oft an vielen Aufträgen gleichzeitig arbeiten. Um effektiver zu werden, bündeln wir oft einzelne Arbeitsschritte, d.h. ich bundiere bspw. einer halbe Woche diverse Hälse, und der Rest der Woche wird geschliffen und lackiert, dann wiederum eine ganze Woche nur endmontiert. Nach Fertigstellung machen wir bei jedem Modell eine ausgiebige Fotosession, und veröffentlichen in Übereinkunft mit dem Kunden via social media erste Bilder. Oft ist das schon Auslöser für einen neuen Auftrag. Dann geht die Gitarre im Deimel-Hardshell-Case auf Reisen, und das in die ganze Welt.
Wer ist der für dich beste Gitarrenbauer Deutschlands?
Das kann ich eigentlich nicht klar beantworten. Ulrich Teuffel steht konzeptionell und bautechnisch konkurrenzlos für mich an der Spitze, soweit ich das im E-Gitarrensektor beurteilen kann. Jedoch machen soviel Kollegen so tolle Arbeit, mit außerordentlicher Akribie und handwerklichen Fähigkeiten, das mir dazu kein Ranking einfällt, und ich das auch nicht wichtig finde. Jede(r) für sich in seiner Art ist inspirierend, und es gibt unglaublich viel Respekt untereinander. Das finde ich toll, und es gibt sehr viel Austausch untereinander. Dazu braucht es kein Siegertreppchen meiner Meinung nach.
Wenn Du Gitarren ohne fixen Kundenauftrag baust, hast Du eine Zielgruppe respektive einen „idealen“ Kunden im Hinterkopf?
Hin und wieder baue ich in der Tat an eigenen Prototypen, und diese spiegeln meine eigenen Überlegungen wie bspw. Design und Bespielbarkeit zusammen gehen können, wieder. Insofern bin ich selbst mein »idealer« Kunde, da ich auch viel spiele. Sound und Spielgefühl sollen dann zu einem einzigartigen Instrument zusammenfließen, und das ist ein permanenter Prozess, den ich versuche für mich neu auzuloten. Die Ergebnisse fließen dann in meine persönliche Prototypen. Generell bin ich daran interessiert neue Wege zu beschreiten, und die Gitarre als Werkzeug weiter zu entwickeln. Meine Zielgruppe ist so gesehen der Musiker, der ähnlich tickt, also sich auch auf die Suche begibt, die Gitarre in neuen musikalischen Kontexten zu benutzen. Also die Vorzüge dieses einzigartigen Instrumentes traditionell beizubehalten, jedoch immer auch Verknüpfungen zu suchen, die z.B. elektronische Musik und deren moderne Ausdrucksmöglichkeiten beinhaltet. Es ist so eine Art »Jule Verne«-Style, also Vintage-Versatzstücke mit aktueller Technik und experimentellen Schaltkreisen zu verbinden. Das ist aktuell das, was mich interessiert.
Nenne deine drei Lieblingsbands/-künstler!
Frank Zappa, Sonic Youth, Jeff Beck, aber nur so als Haupteinfluss bzgl. Gitarrenspiel. Ansonsten alles was bei mir Gänsehaut erzeugt.
Und deine drei Gitarrenmodell-Favoriten, ganz egal ob Vintage oder modern?
Gibson Firebird, 79er Hamer Sunburst, 58er Fender Jazzmaster, aber auch hier könnten es drei andere sein, die ebenfalls auf gleicher Favoritenhöhe stehen.